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Es wird Zeit E-Mail Software umzugestalten

Andreas Burghart
1. Dezember 2013

In letzter Zeit sind einige neue E-Mail Programme erschienen. Unibox, Airmail, Mail Pilot und andere bieten überzeugendes visuelles Design, erhöhten „Joy Of Use“ und spannende Interaktionskonzepte.
Am vielversprechendsten finde ich dabei den personenzentrierten Ansatz von Unibox. Als Sortierungsprinzip werden Ordnerhierarchien durch eine Struktur ersetzt, die sich an den eigenen Kontakten (Freunde, Arbeitskollegen, etc.) orientiert, was dazu führt, dass E-Mails schneller gefunden werden können. Auch vergisst man dadurch fast, dass es sich um E-Mails handelt – es fühlt sich vielmehr wie eine Konversation zwischen zwei Personen an. Ich frage mich, warum nicht schon früher jemand auf dieses Konzept gekommen ist.

Die Redesigns haben mich dazu inspiriert, E-Mail Clients genauer zu betrachten und eigene Konzepte vorzustellen.

Das Problem mit E-Mail

Es ist erstaunlich, dass sich seit den Anfangszeiten des E-Mail Versands kaum etwas geändert hat. Immer noch ist das Arbeiten mit E-Mail Software langweilig und zeitraubend. Das fällt besonders im Business-Bereich ins Gewicht, weil hier der Umgang mit E-Mail ein täglicher Bestandteil ist.

Hier nur einige der Probleme, die dem Leser auch aus eigener Erfahrung vertraut sein dürften:

  • Oft weiß man nicht, ob eine Antwort nötig ist oder man hat keine Lust zu antworten. Dies hängt damit zusammen, wie eine Mail geschrieben ist. Ungünstig ist es unter anderem, wenn eine Mail zu unübersichtlich ist, zu viele Kommunikationsziele enthält, oder Fragen zu unpräzise formuliert sind.
  • Benachrichtigungen über eingehende Mails lenken mich oft von der Arbeit ab1. Es ist aber keine Option, die Benachrichtigungen auszuschalten, da ich keine Mails verpassen möchte, die wichtig sind und eine schnelle Antwort erfordern.
  • Alle Mails im Postfach schauen gleichbedeutend aus, obwohl dem nicht so ist: Mails die unwichtig sind, deren Inhalt nicht mehr aktuell ist oder auf die keine Antwort erforderlich ist, sehen genauso aus wie sehr relevante Mails. Besonders drastisch wird dieses Problem, wenn das Postfach von vielen neuen Mails „überflutet“ wird. Dann übersieht man evtl. eine wichtige Mail, weil sie zwischen vielen unwichtigen Mails liegt.

Die Problemauflistung diente als Basis, um zielgerichtet nach Plugins und positiven Ansätzen in anderen Softwareprodukten zu recherchieren. Im Folgenden werden die „Lösungsbausteine“ mit eigenen Ideen ergänzt und zu einem Grobkonzept zusammengesetzt, um anhand von Wireframes zu zeigen, wie ein optimierter Umgang mit E-Mail aussehen könnte. Hierzu wird anhand eines Szenarios gezeigt, wie durch die Gestaltung eines E-Mail Programmes einerseits technische Hilfestellungen gegeben werden können, andererseits aber auch das Verhalten des Anwenders in eine Richtung unterstützt werden kann, die ein effizienteres E-Mail-Handling ermöglicht.

Ein Lösungsansatz

E-Mails empfangen

Benachrichtigungen auf individuelle Bedürfnisse anpassen

Andreas möchte nicht ständig von eingehenden Mails abgelenkt werden. Deshalb hat er eingestellt, dass er dreimal am Tag eine Übersicht der neuen Mails erhalten möchte, unter anderem um 13 Uhr, wenn er aus der Mittagspause kommt. Das bedeutet, dass er nicht bei jeder einzelnen eingehenden Mail benachrichtigt wird.

Es gibt jedoch eine Ausnahme von dieser Regel: wenn die Software erkennt, dass eine Mail die höchste Relevanzstufe hat, dann wird diese „durchgelassen“ und Andreas bekommt sofort einen Hinweis, wenn diese eingeht.

Sehen was relevant ist

Andreas schaut in der Übersicht nach, auf welche neu eingegangenen Mails er als Erstes antworten sollte. Dabei hilft ihm, dass die Relevanz jeder Mail farblich gekennzeichnet ist. Um farbfehlsichtige Personen zu berücksichtigen, wird die Relevanz zusätzlich durch die Anzahl von Punkten kommuniziert. Durch diese duale Codierung wird die Usability verbessert.

Mails werden entsprechend der Relevanz vom System sortiert. Die Relevanz kann durch Automatismen der Software kombiniert mit individuellen Einstellungen des Nutzers ermittelt werden:

  • Der Absender kann angeben, bis wann der Empfänger idealerweise antworten sollte. Auf dieses Konzept werde ich später noch eingehen. Die Dringlichkeit einer Antwort wirkt sich dementsprechend auch auf die Relevanz aus. Wenn der Empfänger So ist es denkbar, dass eine Mail wieder im Posteingang nach oben rutscht, wenn der Empfänger zum Beispiel eine Woche lang nicht darauf geantwortet hat.
  • Der Anwender kann durch Klick auf den Stern im Profilbild einer Person diese als Favorit markieren. Mails von Favoriten werden daraufhin in der Relevanz höher eingeordnet.
  • Automatische Texterkennung: höhere Relevanz wenn der eigene Name erwähnt wird (das kann hilfreich bei E-Mail-Konversationen mit vielen Projektbeteiligten sein); bestimmte Schlüsselwörter werden erkannt, die auf eine hohe Relevanz schließen lassen (zum Beispiel: „wichtig“, „schnell“ etc.).

Es liegt also maßgeblich in der Hand des Empfängers, als wie relevant eine Mail eingestuft wird. Dies ist ein Unterschied zum bisherigen stark sender-getriebenen Ansatz, bei dem der Absender die Priorität einer Mail einstellen kann.

E-Mails lesen, bearbeiten und versenden

Überblick durch inhaltliche Gruppierungen behalten
Ein längerer Mail-Verlauf zu einem Betreff, an dem mehrere Personen beteiligt sind, wird automatisch im Posteingang zu einem Stapel zusammengefasst. Dadurch sind die Mails nicht wild im Posteingang verteilt und die Übersichtlichkeit erhöht sich.
Überblick durch inhaltliche Gruppierungen behalten

Stapel ausklappen

Andreas klappt den Stapel auf, um auf einen Blick zu sehen, welche Personen an der Konversation beteiligt sind.

Texte gut lesen können

Umfangreiche Konversationen zusammenfassen

Als nächstes möchte er sich die Konversation durchlesen. Damit er sich besser darauf konzentrieren kann, hat er die Darstellung der eingegangenen Mails ausgeblendet.

Obwohl nun mehr Platz in der Breite vorhanden ist, nimmt der Text nicht die volle Breite an, damit sich die Lesbarkeit nicht verschlechtert. Auch andere Grundregeln der Typographie werden berücksichtigt, wie etwa ein Zeilenabstand von mindestens 140% der Textgröße und eine Schriftgröße von 16pt. Dadurch ist eine gute Lesbarkeit gewährleistet.

Inhalt schnell erfassen können

Andreas kann die Konversation auf Makroebene überfliegen, da die Software wichtige Schlüsselbegriffe erkannt und markiert hat. Andreas hat im Voraus eigene Schlüsselbegriffe definiert, um auf einen Blick Ziele, Warnungen und Fragen im Text erkennen zu können.

Andreas erfährt, dass das Thema „Vorbereitung eines Usability Tests“ stark diskutiert wird und er zur Klärung der Diskussion die Hilfe von Kai benötigt.

Umfangreiche Konversationen zusammenfassen

Andreas weiß, dass Kai oft unter Zeitdruck steht, und daher nicht viel Zeit hat, sich die lange Diskussion durchzulesen. Weil Andreas schnell eine Antwort benötigt, möchte er Kai die Antwort erleichtern. Hierzu wechselt er in den „Zusammenfassen-Modus“.

Zusammenfassung erstellen

Andreas möchte eine Entscheidung herbeiführen, und hat daher die entsprechende Vorlage ausgewählt. Dadurch stehen ihm die Textfelder „Festlegungen“ und „Offene Punkte“ zur Verfügung. Nun kann er Festlegungen in der Konversation heraussuchen, diese markieren und in das Textfeld hineinziehen. Auch den offenen Punkt, bei dem er die Hilfe von Kai benötigt, markiert er im Text. Er bestätigt die Zusammenfassung durch einen Klick auf „Übernehmen“.

Fertige Zusammenfassung

Die Software stellt nun die fertige Zusammenfassung in den Vordergrund. Diese ist ab sofort standardmäßig geöffnet, wohingegen die komplette Konversation eingeklappt ist. Dadurch wird später der Empfänger gleich auf die Zusammenfassung hingewiesen und ist im Idealfall nicht mehr gezwungen sich die komplette E-Mail durchzulesen.

Andreas möchte als Nächstes die Konversation an Kai weiterleiten.

Überzeugend schreiben

Überzeugend schreiben

Beim Verfassen der Mail an Kai erhält Andreas eine Hilfestellung: ihm steht eine Vorlage zur Verfügung, die ihm Empfehlungen gibt und bei einer sinnvollen Gliederung hilft. Dadurch konzentriert er sich auf ein Kommunikationsziel und erstellt im letzten Absatz eine Handlungsaufforderung an Kai, damit dieser genau weiß, auf was er reagieren soll. Die Vorlage basiert auf den Grundlagen des Persuasive Design2 , das auch Empfehlungen für das Verfassen von Mails bereit stellt3

Das Layout ist in der Form aufgebaut, dass der Verfasser neben seinem eigenen Text die E-Mail als Referenz hat. Bei Bedarf kann er sich also bestimmte Textstellen nochmal durchlesen und sich darauf in seinem Text beziehen.

Hinweis

Beim Formulieren des Kommunikationsziels schreibt Andreas zu viel und bekommt daher den Hinweis, dass dies die Wahrscheinlichkeit einer Antwort verringert. Er kann aber trotz des Hinweises noch weiter schreiben und der Text blasst nur so weit aus, dass er noch lesbar ist.

Toolbox

Um die Handlungsaufforderung möglichst attraktiv zu machen, öffnet Andreas die Toolbox.

In der Toolbox sind Tools erhalten, mit denen Informationen verständlicher dargestellt werden können und der Aufwand einer Antwort für den Empfänger reduziert werden kann. Das soll dabei helfen, die Textmenge zu reduzieren und den Inhalt schneller erfassen zu können.

Da Andreas eine Entscheidung herbeiführen möchte, zieht er das Tool „Entscheidung“ in das Textfeld hinein.

Auswahlmöglichkeiten eingeben

Jetzt benennt Andreas die Optionen, zwischen denen sich Kai später entscheiden kann.

Antwortwunsch

Andreas stellt als letztes noch ein, wie dringend er eine Antwort von Kai benötigt. Damit ist er fertig und kann seine Mail an Kai abschicken.

E-Mail beantworten

Mit wenig Aufwand antworten

Checkbox anklicken

Kai ruft seine E-Mails ab.

Nachdem Kai die Mail von Andreas ausgewählt hat, sieht er sofort die Zusammenfassung der Thematik, eine Vorschau von Andreas` Nachricht und dass er zwischen zwei Optionen wählen kann. Auch ist für Kai sichtbar, bis wann er Zeit hat auf die Mail zu antworten.

Kai reicht die Zusammenfassung aus, um sich für eine Option entscheiden zu können und daher klickt er gleich „Vor-Ort“ an. Er schickt die Antwort an Andreas.

Hiermit ist mein beispielhaftes Szenario abgeschlossen. Wie im Szenario zu sehen war, ist es möglich die tägliche Arbeit mit E-Mail, durch technische Hilfestellungen und das Steuern des Anwenderverhaltens, zu vereinfachen.
Ich würde mir wünschen in zukünftigen E-Mail Redesigns meine Lösungsansätze wiederfinden zu können. Welche Lösungen bereits existieren, möchte ich nachfolgend erläutern:

Inspirationsquellen

Im Artikel wurde einige Ansätze aufgezeigt, wie E-Mail effizienter gehandhabt werden kann. Auch wenn es aktuell kein E-Mail Programm gibt, in dem alle diese Ansätze integriert wurden, so gibt es doch verschiedene Plugins, die auch aktuell schon genutzt werden können, um das eigene Arbeiten mit E-Mail leichter und angenehmer zu machen. Zusätzlich gibt es teilweise vielversprechende Lösungen in Redesigns von E-Mail-Software und bei anderen Softwareprodukten. Im Folgenden möchte ich einen Überblick darüber geben:

    • Übersicht von Benachrichtigungen
      Growl zeigt einen „Rollup“ an. Dabei handelt es sich um eine Übersicht aller Benachrichtigungen, die während der eigenen Abwesenheit eingegangen sind.

    • Benachrichtigung findet nur bei hoher Relevanz statt
      In der Mitteilungszentrale des iPhone 5 kann eingestellt werden, dass nur Anrufe von Favoriten „durchgelassen“ werden, wenn der Modus auf „Nicht stören“ gestellt ist: dies wird auf http://www.apple.com/de/iphone/iphone-5/tips bei der Überschrift „Bitte nicht stören.“ genauer beschrieben.

    • Sortierung nach Relevanz
      E-Mails von guten Kontakten wandern nach oben: http://inky.com
      In Thunderbird kann der Nutzer wichtige Mails mit einem Stern kennzeichnen und nach dieser Kennzeichnung sortieren, so dass die markierten Mails oben stehen.

    • Sortierung nach Beantwortungsstatus
      In „Boomerang für Gmail“ werden gesendete E-Mails, auf die man keine Antwort erhält, zum Posteingang geschickt, damit der Nutzer daran erinnert wird dass eine Antwort noch aussteht.

    • Relevanz einer Mail erhöhen
      In Thunderbird kann beim Verfassen einer Mail als Option deren Priorität eingestellt werden. Die Skala bewegt sich von „Sehr hoch“ bis „Sehr niedrig“. Für den Empfänger ist die Priorität einsehbar.

    • Zeilenlänge gemäß den Grundlagen der Typographie
      In Outlook 2000 / 2003 kann der Nutzer die Zeilenlänge selbst definieren.

    • Automatisches erkennen und markieren von Schlüsselbegriffen
      In den Benachrichtigungseinstellungen von Skype ist es möglich Stichworte festzulegen. Nur wenn in einer Konversation eines der Stichworte fällt, erhält man eine Benachrichtigung und das entsprechende Stichwort wird markiert: dies wird auf https://support.skype.com/de/faq/FA10808/senden-von-sofortnachrichten-mac bei der Überschrift „So ändern Sie die Benachrichtigungen für einzelne Chats oder Kontakte:“ genauer beschrieben.
      In Thunderbird kann ein „virtueller Ordner“ angelegt werden, in dem alle E-Mails landen, die einen Begriff enthalten, der vom Nutzer definiert wurde. Das Pendant hierzu heißt in Apple Mail „intelligentes Postfach“.

    • Hilfestellung beim Verfassen eines Textes
      In Word besteht die Möglichkeit, eine Vorlage auszuwählen. Zur Auswahl stehen beispielsweise Vorlagen für Lebensläufe und Protokolle.

    • Hinweis um Nutzer in richtige Richtung zu leiten
      In Thunderbird wird der Nutzer daran erinnert, wenn er einen Anhang vergessen hat. Thunderbird erkennt dies an Schlüsselwörtern, die im Text erwähnt werden, wie etwa „anbei“, „angehängt“ etc. Der Hinweis ist nicht zu aufdringlich und hindert den Nutzer nicht beim Verfassen eines Textes.

Sources

 

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