Täglich werden wir mit verschiedensten Arten von To-Dos konfrontiert. Wie das in der Natur der Sache liegt, machen einige in der Regel mehr Spaß als andere. Besonders wenig motivierende Aufgaben – beispielsweise im Haushalt: die Kaffeemaschine saubermachen, den Kühlschrank ausmisten, Leergut sortieren. Die Präferenzen und Abneigungen sind natürlich unterschiedlich, doch wahrscheinlich gibt es für jeden spezielle To-Dos, die er eher ungerne erledigt. Auch im Büroalltag gibt es häufig Tätigkeiten, die zusätzlich zu den eigentlichen Arbeitsaufgaben anfallen: Meetingraum aufräumen, alte Batterien entsorgen (natürlich fachgerecht!) oder auch das Schreiben eines Blogartikels 😉
Was man tun kann, um solche To-Dos und somit den (Arbeits-)Alltag spannender zu gestalten? Ich stelle in diesem Artikel nicht nur bekannte Ansätze vor, sondern auch unser „hauseigenes“ entwickeltes Konzept, das bei Centigrade angewendet wird.
Engagement durch Spielen
Computerspiele können im Gegensatz zu den beispielhaft genannten Aufgaben eine sehr motivierende Wirkung haben. Viele Titel der heutigen Zeit beeinflussen unser Belohnungssystem im Gehirn so stark, dass wir stundenlang am Stück vorm Bildschirm sitzen können. Immer wieder gibt es etwas Neues zu entdecken und das Gefühl, zu gewinnen, fühlt sich einfach gut an. Erreicht man vorgegebene Ziele, so wird man mit virtuellen Gegenständen oder virtuellem Gold belohnt. Die Theorie der menschlichen Motivation geht davon aus, dass alle Menschen drei psychologischen Grundbedürfnissen folgen: Kompetenz, Autonomie und soziale Verbundenheit. Werden diese drei Bedürfnisse erfüllt, kann Motivation entstehen. Forschungserkenntnisse legen nahe, dass Spiele ideale Grundlagen für die Befriedigung dieser drei Bedürfnisse schaffen und somit – richtig eingesetzt – eine stark motivierende Wirkung zur Folge haben (Rigby & Ryan, 2011).
An diesem Potential knüpft Gamification an. Gamification verfolgt das Ziel, das Nutzererlebnis (User Experience) bei einer eigentlich nicht spielerischen Tätigkeit in positiver Weise zu beeinflussen, d.h. Spaß und Freude beim Ausüben einer sonst wenig unterhaltsamen Aktivität zu schaffen. Gamification erobert in letzter Zeit auch immer mehr den Berufsalltag – eine eigenständige Richtung von Gamification beschäftigt sich mit den Potentialen im Unternehmensbereich, um beispielsweise die Mitarbeitermotivation zu steigern, den Wissensaustausch anzuregen oder Prozesse effizienter zu gestalten.
„Im Mittelpunkt steht dabei der Nutzer mit seinen Bedürfnissen und Interessen, der durch eine Kombination aus attraktiver Gestaltung des User Interfaces und substantieller Interaktionsmechanik gezielt in seinen Aktivitäten unterstützt wird.“
Hierbei ist hervorzuheben, dass Gamification sich gerade auch für die Integration in bestehende Prozesse eignet und somit eine gute Methode darstellt, diese motivierender für die Ausübenden zu gestalten. Aber wie kann man Gamification nun für das Task Management einsetzen? Im Folgenden werden einige Beispiele vorgestellt.
Spielerisch Aufgaben meistern
Die Android– und iOS-App Habitica bettet klassische Task Management Funktionen in einen Fantasy-Rollenspiel-Kontext ein, um Nutzer zu motivieren, positive Angewohnheiten zu entwickeln. In Habitica bekommt jeder Spieler Erfahrungs- und Gesundheitspunkte und verfügt über ein eigenes Levelsystem. In der App können Nutzer eigene To-Do-Listen („Quests“) anlegen. Habitica unterscheidet zwischen Gewohnheiten, täglichen Aufgaben und einmaligen To-Dos. Die Aufgaben werden durch Monster repräsentiert, denen der Spieler sich am Ende des Tages in einem Bosskampf stellen muss. Wurde eine Aufgabe nicht erledigt, verliert der Spieler an Gesundheit und seine Lebensleiste sinkt. Für das Besiegen der Gegner bekommt der Spieler Gold und Erfahrungspunkte, mit dem der eigene Avatar aufgewertet werden kann. Gold kann zudem in einem Shopsystem gegen neue Ausrüstungsgegenstände und Haustiere eingetauscht werden, zufällige Belohnungen sorgen für zusätzliche Motivation. Auch bietet Habitica die Möglichkeit, die App nicht nur für sich alleine zu nutzen, sondern Gruppen zu erstellen, in denen mehrere Spieler gemeinsam gegen die Aufgaben-Monster kämpfen.
Die ebenfalls für Android und iOS verfügbare App Epic Win nutzt ähnlich wie Habitica RPG-Elemente. Der Fortschritt des Spielers wird durch Zurücklegen eines Wegs auf einer Karte visualisiert. Ein Motivationsfaktor besteht auch hier im Erwerb neuer Ausrüstungsgegenstände oder tierischer Begleiter zur Ausgestaltung des eigenen Avatars. Anders als Habitica setzt Epic Win auf ein ausdifferenziertes Skill-System, das die Weiterentwicklung widerspiegelt. „Skills“ sind hierbei an Aufgabencharakteristiken wie Stärke und Ausdauer gebunden, die der Spieler sich selbst setzen kann. Im Gegensatz zu Habitica gibt es hier jedoch keine Unterstützung einer kollaborativen Nutzung durch eine Gruppe von Spielern.
Centigrades „Office Quest“
Das Konzept spielerischer Task Management Systeme klingt vielversprechend. Aber so bunt und schön die vorgestellten Apps auch sind: In unserem Beruf haben wir oft das Problem, von zu vielen digitalen Anwendungen und Tools erschlagen zu werden. Daher haben wir uns dazu entschieden, ein gamifiziertes Task Management System zu entwickeln, das einen analogen, nicht digitalen, Ansatz verfolgt. Auch wollten wir wissen, ob und wie sich gamifizierte Task Management Systeme im Arbeitsalltag einsetzen lassen. Aus dieser Ambition heraus entstand unser „Office Quest“ mit dem Ziel, den Einzelnen dazu zu bewegen, etwas für die Gemeinschaft zu tun und somit den Büroalltag für alle angenehmer zu gestalten. Office Quest soll dazu motivieren, unliebsame Aufgaben nicht zu lange liegen zu lassen, sondern zeitnah zu erledigen und bietet somit eine interne Plattform für das Kommunizieren und Verteilen von Aufgaben.
Im Sinne des MVP-Gedanken (Minimum Viable Product), dem wir bei Centigrade folgen, entwickelten wir im Rahmen eines internen Projekts einen physischen Prototyp zum Anfassen, hinter dem ein Gamification-Konzept steckt.
Office Quest ähnelt in seinem Aufbau einem Kanban-Board und ist in drei Spalten aufgeteilt. To-Dos, die wir hier Quests nennen, werden in Form von Papierkärtchen in die erste Spalte geheftet. Jeder, der eine Aufgabe übernehmen möchte, kann das Kärtchen nehmen und in die Spalte „Wird gemacht von“ mit seinem Avatar markiert hängen. Erledigte Aufgaben werden in der Spalte „Erledigt“ ebenfalls mit dem Avatarbild des Mitarbeiters markiert, hierfür gibt es eine festgelegte Anzahl an Punkten. Die Besonderheit: man arbeitet nicht für sich alleine; „erspielte“ Punkte werden einem Teamscore gutgeschrieben. Ist der Teamscore gefüllt, erhalten alle Mitarbeiter eine Belohnung.
Wöchentlich gibt es eine Challenge, die aus unterschiedlichen, immer wechselnden Aufgaben besteht und extra Punkte für die Teamleiste liefert. Am Ende einer wöchentlichen Quest-Reihe steht eine verdeckte Aufgabe, die es „freizuschalten“ gilt. Diese kann eine besonders komplexe oder auch eine „spaßige“ Aufgabe sein.
Warum sollten Personen arbeiten, nur, um noch eine weitere Aufgabe freizuschalten? Ganz einfach: Motivationstheoretische Erkenntnisse zeigen auf, dass gerade der Reiz einer Überraschung besonders motivierend wirkt (Bjork & Holopainen, 2004).
Belohnungssystem
Jeder Mitarbeiter erhielt zu Beginn der Testphase eine „Action-Figur“ aus Lego, die seine Kernkompetenzen und Fähigkeiten widerspiegelt. Da ich viel und gerne scribble, also Zeichnungen anfertige, habe ich zum Beispiel den Legoavatar „Anna with Mega Marker“ bekommen. Die Avatare fördern die Identifikation mit den eigenen Fähigkeiten und drücken Wertschätzung für besondere Talente der Mitarbeiter aus. Als Belohnung für eine volle Teamleiste gibt es für jeden Mitarbeiter ein Loot Kit mit verschiedenen Legoteilen (Gadgets, Tiere, Waffen …) zur Ausgestaltung des Avatars. Zudem gibt es neue Abzeichen für die jeweilige Disziplin. Somit wächst der Avatar nach und nach, bekommt neues Equipment dazu und entwickelt sich weiter, ähnlich wie es bei den vorgestellten Apps Habitica und Epic Win der Fall ist.
Mitarbeiterstimmen
Vor über einem Jahr haben wir unser Office Quest ins Leben gerufen, seither wird es mit leichten Schwankungen kontinuierlich genutzt. Wir evaluierten das Konzept mit Kurzinterviews, in denen wir Kollegen nach ihrer Meinung befragten und bekamen zunächst leicht positives Feedback:
„Ich finde die Idee super, gemeinsam die Progressbar zu füllen.“
„Ich finde es gut, eine analoge Interaktion zu haben, die ganz offen kommuniziert, dass man etwas Gutes für die Bürogemeinschaft tut.“
Aber was ist mit dem Korrumpierungseffekt?
Nun ist es aus motivationstheoretischer Sicht durchaus diskutierbar, einen derart starken extrinsischen Motivationsfaktor wie die Legofiguren zu setzen, da die Gefahr eines Korrumpierungseffekts besteht – hierbei wird die intrinsische Motivation durch einen extrinsischen Anreiz verdrängt. Wissenschaftliche Erkenntnisse legen jedoch nahe, dass extrinsische Anreize gerade bei aus sich heraus wenig motivierenden Tätigkeiten den entscheidenden Startschuss für langanhaltende Motivation liefern können (Chou, 2015). Hieran knüpft auch der nächste zentrale Aspekt an, den es bei der Umsetzung eines spielerischen Task Management Systems zu beachten gilt.
Öfter mal was Neues
Natürlich, wie bei vielen Gamification-Strategien, kann das Engagement im Laufe der Zeit verloren gehen. Um in spielerischen Task-Management-Systemen eine langfristige Motivation zu schaffen, muss hin und wieder etwas Neues ausprobiert werden. Das Konzept lebt von Erneuerung – das bedeutet nicht, dass die veränderten oder zusätzlichen Features besonders groß sein müssen. Variationen in den „Spielregeln“ oder das Hinzufügen von kleinen neuen Spielmechaniken können helfen, das System wieder ins Bewusstsein zu bringen und einen neuen Motivationsschub zu erzeugen. Immerhin befindet sich das Konzept noch in der Testphase – Experimentieren ist also erlaubt.
Fazit
Wo wenig Motivation zur Erledigung von unliebsamen Aufgaben vorhanden ist, können spielerische Task Management Systeme helfen, die Produktivität zu steigern. Zudem können die zum Entstehen einer stärkeren Workplace Awareness beitragen, dem Wissen über bestehende Aufgaben innerhalb einer Arbeitsumgebung. Centigrades Office Quest ist eine denkbar einfache Umsetzung, schafft es aber, gerade in seiner Einfachheit einen Überblick und mehr Transparenz über zu erledigende und abgeschlossene Aufgaben zu vermitteln. Auch zeigt es auf, wie vorhandene Prozesse mit Gamification angereichert werden können. Vorher war die Erledigung von Aufgaben im Büro durch Selbstregulation gesteuert, Office Quest ersetzt dies durch ein festes System. Trotzdem hat sich auch eine Schwierigkeit offenbart: Bei dem kleinsten Standort mit weniger Mitarbeitern genießt Office Quest eine höhere Teilnahme als am Hauptstandort Saarbrücken, wo es von einer viel größeren Personengruppe genutzt wird. Die Ordentlichkeit des Büros spricht jedoch für den grundsätzlichen Erfolg von Office Quest – und die Tatsache, dass ich meine Figur „Anna with the Mega Marker“ mittlerweile auch noch mit einem zweiten Outfit ausstatten konnte 😉
Falls der Artikel Ihr Interesse am Thema geweckt hat und Sie motivationale Aspekte in Ihre Prozesse integrieren möchten, schauen Sie sich unsere Gamification Dienstleistungen an oder kontaktieren Sie uns direkt.
Quellen
Bjork, S., & Holopainen, J. (2004). Patterns in game design (game development series).
Christiansen, N., & Maglaughlin, K. (2003). Crossing from Physical Workplace to Virtual Workspace: Be AWARE!. The 2nd International Conference on Universal Access in Human-Computer Interaction (S. 1128-1132).
Herger, M. (2014). Enterprise Gamification: Engaging People by Letting Them Have Fun: Book 1-the Basics. CreateSpace Independent Publishing Platform.
Rigby, S., & Ryan, R. M. (2011). Glued to games: How video games draw us in and hold us spellbound: How video games draw us in and hold us spellbound. ABC-CLIO.