
Das Cover wurde von Midjourney erstellt. Eingabepromt: Visuelle Designer arbeiten mit KI, um kreative Softwarelösungen zu entwickeln.
Dieser Blog bietet bereits eine vielfältige Sammlung rund um das Thema Künstliche Intelligenz (KI) aus den verschiedenen Disziplinen, die bei Centigrade unter einem Dach arbeiten. Da darf das visuelle Design natürlich nicht fehlen. In diesem Blogeintrag betrachte ich den aktuellen Stand und beleuchte, ob und wie wir Visual und UX Designer bei Centigrade die Potentiale der KI bereits nutzen. Ich frage mich und andere, wie wir uns eine zukünftige Symbiose zwischen unserer Disziplin und dieser Technologie vorstellen. In diesem Zusammenhang wird es auch um die aktuelle Nummer 1 unter den Design- und Prototyping-Plattformen gehen: Figma und wie die Plattform zukünftig eine KI in den Designprozess integrieren will. Was uns ebenfalls betrifft: Die Demokratisierung von Design und wie dadurch auch Laien mit Hilfe von KI zu “Designern” werden.
Ich bin Gestalterin. Mit Texten habe ich wenig zu tun und leider musste ich feststellen, dass in mir auch kein tief verborgenes Talent dafür schlummert. Dennoch möchte ich diesen Blogeintrag schreiben und meine Recherche mit Euch teilen. Was also tun? Klar – ich lasse mir von der Künstlichen Intelligenz (KI) helfen. Wie mein Kollege Marius so schön sagte: Die KI hilft uns Visual und UX Designern vor allem bei Aufgaben, von denen wir wenig Ahnung haben. Wie mir beispielsweise beim Ausformulieren dieses Artikels. Das stimmt und impliziert gleichzeitig, dass momentan kaum KI-Tools existieren, die uns Designer aus dem Bereich UX-Design effektiv in unserer anspruchsvollen Disziplin unterstützen können. Daher mache ich mir auch keine Sorgen, dass die KI mir meinen Job streitig macht. Denn dafür sind die Aufgabenstellungen zu komplex. Während des Designprozesses jonglieren Visual und UX Designer mit vielen Anforderungen und schrauben an den verschiedenen Parametern: Wir lösen herausfordernde Probleme, wir arbeiten nutzerzentriert und stellen die User Needs in den Mittelpunkt, wir erfüllen erwartungskonforme Interaktionsparadigmen und bereichern die User mit einem Kompetenzerlebnis. Eine KI kann nicht bewerten, was man erlebt, wenn man eine UI bedient. Auch deshalb wird der Mensch in the Loop kaum ersetzt werden können. Gleichzeitig gehen wir auf die Bedürfnisse und Zielsetzungen der Kund*innen ein und müssen uns dabei auch mal auf Kompromisse einlassen. Wir verstehen und erfüllen technische Anforderungen und ISO-Normen, wir gestalten inklusiv. Wir präsentieren und diskutieren unsere Screens, wir kommunizieren und begründen Designentscheidungen, wir lernen und überarbeiten. Puh, ganz schön vielschichtig – solche komplexe Zusammenhänge kann aktuell noch keine KI herstellen.
Mein Berufsalltag als Visual Designerin mit der KI
Ich selber nutze die KI-Technologie, hier seien vor allem ChatGPT und DeepL Write genannt, aktiv in meinem Arbeitsalltag. Die KI ist mir eine ausdauernde Tischnachbarin, die ich ständig alles fragen kann und die immer eine Antwort parat hat. Sie spricht jede Sprache, hilft auf der Suche nach visuelle Metaphern, Synonyme und Rechtschreibfehlern. Sie erklärt mir die komplexesten Sachverhalte. Und das, wenn ich es möchte, als wäre ich wieder in der fünften Klasse. Insbesondere im Dienstleistungssektor erweist sich diese Unterstützung als äußerst wertvoll. Bei Centigrade arbeiten wir gemeinsam mit internationalen Kund*innen, beispielsweise aus dem Gesundheits- und Bildungssektor, aus dem Bereich Finanzen oder der Industrie. Die daraus resultierende Vielfalt an Disziplinen, Sprachen und Kulturen macht die Arbeit so spannend, und natürlich besonders anspruchsvoll. Oftmals sehen wir uns mit Themen konfrontiert, von denen wir bislang nur wenig Kenntnis hatten. Um Lösungen zu gestalten und Probleme zu bearbeiten ist es wichtig, tief in die Materie einzudringen. Genau an dieser Stelle leistet KI wertvolle Dienste. “Chat GPT bringt auf beeindruckende Weise ein solides Domänenverstädnis mit.“, wie Thomas in seinem Blogartikel UX trifft auf KI aus dem März diesen Jahres bemerkte. Doch wir müssen uns darüber bewusst sein, dass alles, was man in die KI einspeist, sie an anderer Stelle auch wieder ausspuckt. Deshalb müssen wir besonders darauf achten unsere Fragestellungen an sie so allgemein wie möglich zu halten, um keine Informationen unserer Kund*innen weiterzugeben. Eine meiner letzten Anfragen an Chat GPT lautete: “Beschreibe mir kurz die Arbeitsumgebung eines modernen Labors und unter welchen Vorraussetzungen die Labormitarbeitende dort an den Geräten arbeiten.” Und so wie für mich ist die konversationsbasierte KI auch für viele meiner Kolleg*innen zu einem bewährten Werkzeug geworden. Sie befähigt uns, schenkt uns Wissen und Unterstützung, ohne dass wir dabei auf mehr angewiesen sind als einen Computer und eine Internetverbindung.
Wie stellen wir Visual und UX Designer uns die Symbiose zwischen unserer Disziplin und der KI-Technologie in der Zukunft vor?
Reid Hoffman, Mitbegründer von LinkedIn und Autor von „Impromptu”, sprach auf der Figma-Softwarekonferenz in diesem Jahr (Config 2023) in seinem Talk The crescendo of AI in our collective Future von der KI als Superpower für das Gehirn.
“Künstliche Intelligenz ist eine verstärkende Intelligenz: Sie kultiviert und verstärkt unser besseres Selbst. Sie nimmt die Kraft des menschlichen Geistes und macht sie stärker und schneller.“ Reid Hoffmann auf der Config 2023
Er verglich die Entwicklung der KI mit der der Dampfmaschine, die er als eine Art Superpower für die Muskeln beschreibt. Mit ihrer Entwicklung konnten Dinge leichtfällig und ausdauernd bewegt werden, die vorher nur mit großer Anstrengung in Bewegung zu bringen und zu halten waren. Welche Superkräfte verleiht KI uns Visual und UX Designern? Wird sie unsere Geschwindigkeit im Umgang mit der Maus erhöhen und lässt uns so schneller und sorgfältiger arbeiten? Wird sie unsere Kreativität auf Hochtouren bringen und lässt uns so Neues, Aufregendes und Innovatives gestalten?
Ich erhoffe mir von der KI vor allem, dass sie mir mehr Zeit für meine eigentliche Profession (und Leidenschaft) verschaffen kann, nämlich „Probleme auf die schönste Art und Weise zu lösen“, so wie es Aline Barré, unsere Head of Visual Design so schön und treffend in ihrem Blogeintrag Gebrauchsanweisung für Digital Designer*innen formuliert hat. Als Designerin möchte und sollte ich mich der KI annehmen und sie in meinen Designprozess integrieren. Ich will ihre Vorteile nutzen und davon profitieren. Und so wie ich, versuchen Designer auf der ganzen Welt Maschine zu sprechen. Die Implementierung von KI in unseren Arbeitsalltag kann uns gezielt bei wiederkehrenden und zeitraubenden Aufgaben entlasten. Ich stelle mir vor, dass die KI wie ein Heinzelmännchen die Fleißarbeit übernimmt, während wir Designer unsere Aufmerksamkeit auf jene Tätigkeiten lenken können, die exklusiv dem menschlichen Einfallsreichtum vorbehalten sind.
“So können wir uns auf die Dinge konzentrieren, die nur Menschen tun können: ein bisschen mehr Zeit als unbedingt nötig aufwenden, um etwas Unerwartetes zu erreichen.” John Maeda in Running up that hill: Creativity, AI, and the human pursuit of uphill thinking
Diese symbiotische Zusammenarbeit zwischen Mensch und KI kann eine einzigartige Dynamik erschaffen, die uns Raum für kreative Entfaltung und Zeit für mutige Designexperimente bietet. Dazu möchte ich einen Blick auf Figma werfen. Denn vor allem solche Designsoftware-Tools für Digital Design Professionals haben das Potential durch die Implementierung der KI-Technologie unseren Workflow zu verändern.
Was tut sich bei Figma im Bereich KI?
Figma ist ein cloudbasiertes Design-Tool, das es Teams ermöglicht, in Echtzeit an Benutzeroberflächen und Grafikprojekten zusammenzuarbeiten. Auch wir bei Centigrade nutzen die Software bei den meisten unserer Projekte im Bereich Visual und UX Design. Auf der diesjährigen Config 2023 hat das Unternehmen seine Vision im Umgang mit KI auf der Plattform gezeigt. Erst im Frühsommer 2023 hat Figma die KI-Software Firma Diagram übernommen. Diagram wurde Ende 2021 gegründet, um das zu erforschen, was sie die „designtools from the future” nennen. Vor der Übernahme hat Diagram bereits sehr erfolgreich Plugins für Figma entwickelt, wie Automator, mit dem repetitive Arbeitsprozesse in Figma ohne Code automatisiert werden können.

Screenshots https://diagram.com/
Mit der Übernahme von Diagram kündigt Figma ein großes KI-Update an, welches unseren Workflow mit dem Design-Tool in Zukunft grundlegend verändern könnte. Bekommen wir Designer mit der Implementierung von KI in Figma endlich die Superpower von der Reid Hoffman sprach? Die Vision des Teams rund um Diagram-Gründer und CEO Jordan Singer ist vielversprechend. Auf der Präsentation Designing with AI (Config 2023) erklären sie Gestalter*innen unter anderem dort Unterstützung, wo wir sie gerne hätten. Sie stellen das Plugin Magician vor, welches bereits in der Beta-Phase ist. Mit diesem können Icons auf Basis von kurzen Prompts generiert werden. Weiter füllt der Magician Screens mit passenden Fotos, Bildern und Texten, wenn man ihn dazu auffordert.

Screenshots https://magician.design/
Das Highlight der Präsentation ist Genius, den Diagram als “your AI design companion” vorstellt. Dieser soll in Zukunft die Technologie der Künstlichen Intelligenz in Figma integrieren. In der Präsentation wurde gezeigt, wie durch die Eingabe des Prompts “add hover, pressed, and focus states for each variant” die verschiedenen States durch die KI angelegt wurden – passend zu den Styles der anderen Komponenten.

Screenshots from Designing with AI (Config 2023)
Genius ist dazu fähig, eigenständig smarte Layouts zu erstellen und automatisch Designvorschläge anzubieten. Das funktioniert durch die ständige Analyse der Arbeitsweise und Präferenzen der Designer. Er sorgt dafür, dass Abstände, Ausrichtungen und Proportionen auf den Screens und Komponenten einheitlich bleiben, was zu einer konsequenten und effizienten Gestaltung beiträgt. Weiter wurde vorgeführt, wie die KI bestehende Designmuster analysiert und so situative Gestaltungsempfehlungen aussprechen kann. In der Präsentation zeigen sie, wie Genius verschiedene Darstellungen und Anordnungen von Albumcovern erstellt und anbietet, während der Designer gerade an einer Musik-App arbeitet. Genius bedient sich auch in der reichhaltigen Palette an Figma Plugins. In der Präsentation erhält er den Eingabeprompt: “create a color palette from these images, then create a style guide with 10 shades for each color.” Dafür kombiniert er intelligent zwei Plugins miteinander: Image Palette und Foundation: Color Generator.

Screenshots from Designing with AI (Config 2023)
Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Entwicklung gestaltet. Denn Genius ist noch nicht verfügbar. Sobald Figma das KI-Tool der breiten Masse zugänglich macht, wird es spannend sein zu sehen, ob und wie diese „Superkräfte“ unsere Workflow mit der Software tatsächlich verändern werden.
Demokratisierung von Design
Im Bereich des visuellen Designs gibt es auch andere Einsatzmöglichkeiten für KI, die sich zwar im visuellen Design ansiedeln lassen, sich aber nicht an die Designer selbst richten. Auch hierauf möchte ich kurz eingehen – einfach weil es mir ein wichtiges Anliegen ist. Erst kürzlich habe ich mit meinem Kollegen David den Uizard Autodesigner getestet. Die Firma beschreibt das Tool folgendermaßen: “Text zu Design ist da! Generieren Sie editierbare Designs auf mehreren Screens aus einfachen Textvorgaben”. Das Unternehmen hat es sich zur Aufgabe gemacht, “Design zu demokratisieren, um es auch Nicht-Designern zu ermöglichen, digitale, interaktive Produkte zu entwickeln”.

Screenshots Uizard Autodesigner
Dazu möchte die Software in maximal 300 Zeichen erfahren welches Konzept das gewünschte Design haben soll. Weitere 150 Zeichen kann der Nicht-Designer nutzen, um die Ästhetik des zu entstehenden digitalen Produktes zu beschreiben. Es liegt natürlich auf der Hand, dass mit solch kurzen Prompts keine ausgearbeitete individuelle Produkte entstehen können. Im Gegenteil, der “Nicht-Designer” müsste noch eine ganze Menge Energie und Zeit investieren, je nach Talent und Expertise, um die Designs zu editieren.
Es ist nicht zu unterschätzen, welche Herausforderungen solch eine Demokratisierung von Design, also das Zugänglichmachen von Design-Werkzeugen und -praktiken für eine breitere Masse, mit sich bringt. Für uns Designer, aber auch genauso für die “Nicht-Designer”. Es kann dem Unternehmen, das solche Tools nutzt, implizieren, dass sie auf das Wissen von Expert*innen verzichten können. Natürlich ist Design viel mehr als nur das kataloghafte Erstellen und Aneinanderreihen von Screens. Es ist ein Handwerk und beruht somit auf Erfahrung, Studien, Experimenten, Recherche, Heuristiken und Iterationsschleifen. Das Arbeiten von Nicht-Designern mit solchen KI-Wizards, vor allem in einer kollaborativen Arbeitsumgebung, können falsche Erwartungen schüren und visuelle Erscheinungen manifestieren, die weder die Zielgruppe treffen noch den technischen Anforderungen gerecht werden, geschweige denn konzeptionell die Erwartungen treffen. Als Diskussionsgrundlage sind solche Screens daher nur bedingt geeignet. Ich möchte an dieser Stelle auch für die Nicht-Designer eintreten. Denn der Druck, sich in Designfragen engagieren zu müssen, weil solche Werkzeuge dies ermöglichen und einen schnellen Einstieg in das Handwerk versprechen, kann für Menschen, die keine Designer sind und sich nicht als solche verstehen, sicherlich überwältigend und überfordernd sein.
Zum Schluss
Im Visual und UX Design zeigt sich, dass trotz der vielversprechenden Ansätze momentan noch begrenzte Optionen existieren, die Gestalterinnen von zeitaufwendigen Aufgaben entlasten, um ihnen mehr Raum für anspruchsvolle und kreative Designherausforderungen zu bieten. Vieles befindet sich in der Beta-Phase. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Entwicklung gestaltet. Sobald Figma die KI-Tools implementiert, wird es spannend sein zu sehen, ob und wie diese „Superkräfte“ tatsächlich Einfluss auf die Arbeitsweise und Ergebnisse der Visual UX Designer haben werden – ich bin gespannt!
Links:
https://www.centigrade.de/en/blog/ux-meets-ai-can-designers-and-their-ideas-still-be-saved/
https://config.figma.com/video-on-demand/6330286715112 https://www.centigrade.de/en/blog/digital-designers-manual-how-to-lead-stubborn-digital-designers-to-drive-them-to-excellence/
https://howtospeakmachine.com/
https://www.figma.com/blog/ai-the-next-chapter-in-design/
https://www.figma.com/blog/uphill-thinking/
https://config.figma.com/video-on-demand?slug=6329924726112
https://www.linkedin.com/posts/figma_figma-acquires-diagram-activity-7077699980509016064-v-ct
https://diagram.com/
https://diagram.com/#automator
https://uizard.io/autodesigner/