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UX trifft auf KI – Sind Designer mit ihren Ideen noch zu retten?

Thomas Immich
Thomas Immich
28. März 2023

Metaverse Alexa Zuckerberg Bezoz

Besonders in der IT & Tech-Branche sprechen viele Akteure gerne von „disruptiven Innovationen“ und wie sehr diese eine massive Verschiebung der wirtschaftlichen Gewichte zur Folge haben können. Schaut man sich genauer um, so fanden bis vor kurzem eigentlich nur wenige solcher Disruptionen statt. Das Metaverse kommt trotz gigantischer Investitionen nicht auf ausreichende Nutzerzahlen, E-Autos verdrängen viel zu langsam die etablierten Verbrenner und Sprachassistenten wie Alexa werden von Google im Rahmen einer Entlassungswelle aufgegeben.

Echte Disruption

Doch dann trat im November 2022 ChatGPT öffentlichkeitswirksam auf die Bildfläche und man war sich nach kurzer Zeit einig: wir haben es hier mit der einer innovativen Disruption zu tun – und diesmal wirklich.

Die Zeichen hierfür sind aus vielen Gründen klarer als in den meisten anderen Fällen.

  • Es handelt sich um eine Technologie, die am schnellsten von allen bisherigen Technologien 100 Millionen Nutzer erreichen konnte
  • ChatGPT hat keine Abhängigkeiten zu anderen Technologien oder Plattformen – es funktioniert „out-of-the-box“
  • Auch wenn das Thema AI grundsätzlich immer wieder mit Ethik in Verbindung gebracht wird und daher als kritisch eingestuft wird, weist ChatGPT einen Pfad auf, der überraschend wenig „ethisches Glatteis“ bereithält
  • Die Produktivitätssteigerung, die die Nutzung von ChatGPT mit sich bringt, ist für jeden transparent und messbar, statt nur in Marketingkanälen verbalisiert

Gerade die messbare Produktivitätssteigerung ist ein Schlüsselfaktor, dem man sich auch als „Disruptionszweifler“ schwer entziehen kann – vor allem, wenn auch keine tiefgreifenden ethischen Bedenken entgegengestellt werden können, wie es etwa bei Gentechnik leicht möglich ist.

Aber auch wenn ChatGPT durch Presse, Medien und persönliche Erfahrungen entsprechende Popularität erlangt hat, so ist diese Technologie ja nur ein Repräsentant eines ganzen Technologie-Genres, nämlich der „generativen künstlichen Intelligenz“. Im gleichen Atemzug muss man daher auch schon vorher bekannte Tools wie GitHub Co-Pilot, DALL-E oder Midjourney nennen. Offensichtlich waren diese Werkzeuge damals für manche Nutzer*innen noch ein wenig zu „nischig“ und konnten erst durch die Strahlkraft von ChatGPT etwas aus ihrem Schattendasein herauskommen. Inzwischen aber, wird selbst auf diese nischigen Tools genauer hingeschaut.

Midjourney Evolution

 

Erwiesene Produktivitätssteigerung

GitHub Copilot beispielsweise wurde Fokus einer Studie, die beantworten wollte, inwieweit die zugrundeliegende generative KI eine messbare Steigerung der Produktivität eines Software Engineers zur Folge hat. Eine KI übrigens, die in Teilen ja sogar in ChatGPT zum Einsatz kommt.

Wissenschaftlich erwiesen war bereits vorher, dass die Produktivitätssteigerung, die eine KI mit sich bringt, einen wesentlichen Einfluss auf Jobmarkt, Skills und Organisationsstrukturen hat. Umso beeindruckender sind die Ergebnisse der GitHub Copilot Studie, da sie die Produktivitätssteigerung in Zahlen fasst: die Gruppe von Entwicklern mit GitHub Copilot als Unterstützung war fast 56% schneller als die Gruppe ohne GitHub Copilot.

tieme to complete task github copliot studie

Nun kann man argumentieren, dass das Schreiben von Code, oder wie in der Studie geprüft, speziell das Programmieren eines Webservers in Javascript auch kein kreativer Task ist, sondern es sich letztlich um eine Automation bekannter Handgriffe handelt.

UX, UI, Digital Design und KI

Midjourney UI Design

Kreative Branchen wie die Design-Branche mögen von einer KI im Hinblick auf die Produktivität weniger profitieren. Bezogen auf die IT-Branche sprechen wir in diesem Fall also von den Disziplinen Digital Design, UX Design und UI Design. Doch der umsetzende Teil dieser Disziplinen ist längst erobert. Nicht nur kann man via Midjourney in wenigen Minuten ein ansprechendes User Interface Designs zumindest zur Inspiration und als Diskussionsgrundlage erschaffen, es drängen bereits jetzt schon dedizierte UX & UI Tools auf den Markt, die versprechen ganze Screens weiter verarbeitbar generieren zu können. Noch ist es zu früh, um zu sagen, ob die Versprechen dieser Tools in der Praxis einzulösen sind, definitiv ist die Profession des klassischen UI Designers in ihrer aktuellen Form aber zumindest „angezählt“.

Digital Design und KI

Bleibt die Profession des UX Designers oder Digital Designers: hier liegt der Fokus mehr auf der konzeptuellen Ideengenerierung, auf dem tiefen Domänenverständnis und der guten Kommunikation und Weitergabe von UX-Spezifikationen an die Software Engineers. Überraschenderweise ist das Domänenverständnis von ChatGPT aber so breit und gleichzeitig tief, dass es mit Leichtigkeit einen angehenden UX Designer ausspielen kann. Folgende beispielhafte Fragen und Antworten zeigen auf beeindruckende Weise, dass ChatGPT ein solides Domänenverständnis mitbringt.

ChatGPT Frage Totmannschalter

ChatGPT Frage Antwort SARS-CoV-2

Recherchearbeit 2.0

Man kann sich leicht vorstellen, dass Designer gerade in der Recherchearbeit ihre Produktivität ungemein steigern können, wenn sie sich eines solch mächtigen Werkzeugs bedienen – es bleibt jedoch die Frage im Raum, ob Domänenverständnis und mundgerechte Kommunikation dann überhaupt weiterhin eine Schlüsselaufgabe des Designers sind oder ob Subject Matter Expert und Software Engineer an dieser Stelle nun nicht auch auf direktem Wege zu den benötigten Erkenntnissen kommen und eine gestaltende Vermittlerrolle also nicht länger benötigt wird. Eine mögliche Antwort hierauf soll zugunsten der folgenden Betrachtung erst später gegeben werden.

Ideengenerierung

Rückt der Blick nämlich auf das Thema „konzeptuelle Ideen generieren“, so scheint die Profession des UX und Digital Designers auf den ersten Blick etwas sicherer zu stehen. Wir betreten das Feld der „Kreativität“.

Gutes Design ist abhängig von guten Ideen und Kreativität daher eine notwendige Zutat. Doch erst wenn zu gegebenen Anforderungen auch passgenaue Ideen entwickelt werden, lohnt es sich in einen konstruktiven Implementierungsprozess abzubiegen. Die Kreativität des Designers ist also nur in begrenzten Korridoren entlang von bestimmten Anforderungen auslebbar. Das ist auch gut so, denn genau solche Constraints beflügeln letztlich den Ideenfindungsprozess. Spätestens mit dem Einzug von Mainstream-Methoden wie „Brainstorming“ gilt als erwiesen, dass viele Ideen auch mehr gute Ideen hervorbringen, es also eine Korrelation zwischen Quantität und Qualität von Ideen gibt. Zeitdruck und begrenzte Budgets deckeln diese Rechnung jedoch oft in der Praxis. Zudem ist in einem Human-Centered-Design Prozess zum Zeitpunkt der Ideen-Entwicklung die wahre Qualität einer Idee noch gar nicht bekannt – diese Einschätzung kann oft erst nach der Umsetzung und dem Einsammeln von Nutzerfeedback getroffen werden.

Menschliche Einschränkungen

Bevor die Potenziale einer ideen-gebenden KI ins Spiel gebracht werden können, lohnt es sich, den Blick zunächst auf die menschlichen Einschränkungen im Ideenprozess zu richten:

  • Emotionen: Ideengeber sind oft stolz auf ihre eigenen Ideen und verschließen sich daher vor den Ideen anderer oder reagieren negativ emotional auf Kritik
  • Richtungsfehler: Ideen gehen oft an den Anforderungen vorbei, ohne dass dies im Moment der Ideengenerierung auffällt
  • Unberechenbarkeit: Der Prozess der Ideenfindung ist nicht vorhersagbar und die Qualität und Quantität von Ideen hängt stark vom aktuellen Arbeitsumfeld, der Moderationskompetenz sowie Erfahrung der Teilnehmergruppe ab
  • Unzugänglichkeit: Die Menschen, die relevantes Domänen- oder Anforderungswissen besitzen, haben nicht zwangsläufig einen Zugang zu kreativen Gestaltungsprozessen und benötigen daher „Enabler“, die dieses Wissen „entlocken“ und in Ideen übersetzen können.
  • Befangenheit: Bestehende Ideen, „Group-Thinking“, vorauseilender Gehorsam oder andere Verzerrungen schränken die Offenheit und Imaginationsfähigkeit der Ideengeber ein, was letztlich auch neue, divergente Ideen verhindert
  • Begrenztheit: Egal, wie kreativ ein Mensch sein mag – niemand kann ohne weiteren Input neue Ideen generieren. Es muss also immer wieder zu externen Impulsen oder neuen Erfahrungen kommen, beispielsweise durch weiteren UX Research oder durch gegenseitigen Austausch in der Gruppe.

Potenziale und Einschränkungen der KI

Auf Basis dieser menschlichen Einschränkungen, kann konkreter eingeschätzt werden, wie sich eine generative KI im Sinne einer effektiveren Ideengenerierung abgrenzt.

  • Emotionalität: eine KI besitzt per se keine Emotionen, insofern geht der Punkt recht eindeutig an die KI
  • Richtungsfehler: die KI ist – ähnlich wie auch ein UX Designer – abhängig von den Informationen und Kontexten, die sie für die Ideengenerierung zur Verfügung gestellt bekommt. Idealerweise, bekommt sie reichhaltige Kontextinformationen zur Verfügung gestellt auf dessen Basis dann auch passgenauere Ideen entstehen können
  • Unberechenbarkeit: die KI ist nicht zwangsläufig deterministisch in ihren Resultaten, da ein gleicher Prompt mitunter beim nächsten Mal zu einem anderen Ergebnis führen kann. Dennoch kann ein Prompt einfacher kontrolliert werden als Arbeitsumgebungen, Moderationskompetenzen oder Teilnehmermotivationen, insbesondere bei einer heterogenen Ideenworkshop-Gruppe.
  • Unzugänglichkeit: eine KI vereint solides Domänenwissen mit einer soliden Kompetenz bei der Ideengenerierung. Aber eine KI benötigt ebenfalls einen „Enabler“, um brauchbare Resultate zu liefern. Es muss beispielsweise ein Domänen- oder Anforderungsexperte sein tiefes spezifisches Domänenwissen einbringen, damit dieses in der Folge auch zu passgenauen Ideen führen.
  • Befangenheit: mit Hilfe einer KI können Kontexte oder Verzerrungen bewusst in Betracht gezogen oder vermieden werden, je nachdem, was als „Quelle der Wahrheit“ für die Ideengenerierung eingesetzt wird. Konkret heißt das: je lösungsagnostischer Anforderungen, Domänenwissen und Constraints formuliert werden, desto weniger wird die KI eine Verzerrung in die daraus generierten Ideen einbauen – und umgekehrt.
  • Begrenztheit: die KI ist grundsätzlich nur durch die Daten begrenzt, mit der sie ursprünglich trainiert wurde. Durch dieses „längere Langzeitgedächtnis“ wird sie in der Praxis also deutlich später an ihre Grenzen stoßen als ein Mensch. Sie hat aber sicherlich auch das Nachsehen, wenn es um originelle bzw. „echte neue“ Ideen geht, da sie indirekt auf Ideen angewiesen ist, die einmal von einem anderen Menschen geäußert worden sind.

Die folgende Tabelle zeigt die genannten Einschränkungen auf beide Seiten auf einen Blick. Sie wurde übrigens ebenfalls mit ChatGPT auf Basis der vorangegangenen Ausführungen automatisch erstellt und nur leicht manuell angepasst.

Einschränkung bei der IdeengenerierungMenschKI
EmotionenStolz auf eigene Ideen. Negative Kritikreaktion.Grundsätzlich emotionslos.
RichtungsfehlerOberflächliches Verständnis von Anforderungen. Falsches Verständnis von Anforderungen. Fehlende Anforderungen.Abhängig von Breite, Tiefe, Richtigkeit und Lösungsfreiheit der Anforderungen.
UnberechenbarkeitAbhängig von Arbeitsumfeld und der Moderationsleistung.Kontrollierbares Umfeld durch Trainingsdaten und Prompts.
UnzugänglichkeitDomänenwissen in Ideen zu überführen benötigt ggf. „Enabler“Domänenexperte muss selbst als „Enabler“ fungieren.
BefangenheitKognitiven Verzerrungen ausgeliefert.Abhängig von Promptgestaltung und Trainingsdaten.
BegrenztheitNeue Ideen benötigen neue Impulse und Erfahrungen.Abhängig von Größe der Trainingsdaten, grundsätzlich jedoch nicht begrenzt.

Limitierungen bei der Ideengenerierung als Gegenüberstellung Mensch vs. KI

Alles ist relativ

Es ist auf Mensch-Seite davon auszugehen, dass UX und Digital Designer dank ihrer Profession von manchen der aufgeführten Limitierungen etwas weniger stark betroffen sind, da beispielsweise ein „agiles Mindset“ zu einer starken Reflektiertheit und guten Kritikfähigkeit beiträgt. Der egozentrische Stolz im Umgang mit eigenen Ideen wird hier von Berufswegen „abtrainiert“.

Umgekehrt ist auf der KI-Seite immer davon auszugehen, dass das zugrundeliegende Modell, die Trainingsdaten sowie die genaue Beschaffenheit des Prompts einen entscheidenden Einfluss darauf haben, ob die Ergebnisse den menschlichen Ideen überlegen sein können oder nicht.

Und natürlich muss bei allem Hype zu ChatGPT und Co. an dieser Stelle auf die Grenzen der KI deutlich hingewiesen werden. Zum einen: die Ausgaben von ChatGPT mögen extrem überzeugend klingen und können dennoch völlig verkehrt sein, wenn es darum geht, echte Fakten zu liefern. Die KI ist dann „confidently wrong“.

Für die Generierung von Ideen gilt das aber nicht, denn hier geht es zum einen weniger um „die Wahrheit“ als um „Funken der Inspiration“, die den Prozess weiterbringen und ohnehin im Verlauf des nutzerzentrierten Prozesses noch einige Validierungsschritte durchlaufen müssen.

Es ist zudem zu bezweifeln, dass die KI mit Ideen aufwartet, die nicht schon einmal in irgendeiner Form niedergeschrieben worden sind und also explizit Teil der Trainingsdaten sein mussten. Dieser Pool ist aber eben sehr groß und erweitert sich automatisch über die Zeit.

Trotz Einbezug dieser Relativierung, zeigt die Gegenüberstellung daher vor allem eines auf: im Generieren von mehr Ideen in kürzerer Zeit, also in der „Ideen-Produktivität“ ist die KI dem Menschen im Allgemeinen – und auch dem Designer im speziellen – in vielen Teilen überlegen. Der Nutzen selbst einer rein textbasierten KI in der alltäglichen Design-Praxis steht daher schon jetzt außer Frage.

Prompt Engineering für UX und Digital Design

In Bezug auf der Erlangung einer Produktivitätssteigerung unterscheidet sich UX und Digital Design noch nicht grundlegend von anderen Disziplinen, denn auch Lehrer und Schüler werden immer mehr zu Prompt Engineers, wenn sie keinen Wettbewerbsnachteil gegenüber den anderen in Kauf nehmen möchten. Wo also liegt der Kern, wenn es um Prompt-Engineering speziell für die Ideengenerierung im UX und Digital Design Bereich geht?

Fakt ist: stereotype Prompts werden mit stereotypen Antworten „belohnt“, wie das folgende Beispiel am Fall einer App zur Zeiterfassung zeigt.

ChatGPT Frage Antwort 5 Ideen Zeiterfassungsapp

Ohne Zweifel finden sich hier einige gute Ideen-Impulse wieder, diese reichen jedoch nur schwerlich, um daraus ein konkretes App- geschweige denn Gamification-Konzept abzuleiten. Es muss schon weiterer Kontext geboten werden, um hier zu Antworten mit mehr Substanz zu gelangen. Beispielsweise ist das Einstreuen von Domänenwissen ein guter Weg, um zu besseren Ideen zu gelangen.

ChatGPT Frage Antwort Zeiterfassungsapp

Ebenso wichtig ist es, relevante Erkenntnisse aus dem User Research in die Prompts einzubauen.

ChatGPT Frage Antwort User Research

Die gezeigten ChatGPT Beispiele zeigen noch einen weiteren interessanten Umstand: die Generierung einer guten Idee ist kein punktuelles oder abgeschlossenes Ereignis, sondern ein iterativer Dialog. Es kann nicht erwartet werden, zu wirklich guten und wenig stereotypen Ideen zu gelangen, solange man nicht mit einer gewissen Detailverliebtheit an die Prompt-Gestaltung herantritt. Es lohnt sich also, kreativ im Gestalten von Prompts zu werden, damit die KI kreativere Ideen generiert, wie folgendes Beispiel veranschaulichen soll.

ChatGPT Frage Antwort Dialog Pfleger

Dieser Prompt liefert nicht nur eine kreative neue Idee („Zeiten später erfassen“), sondern verknüpft diese auch mit der Krankenhaus-Domäne („Aktivitäten, bei denen sowieso die Uhrzeit benötigt wird.“) und liefert sie darüber hinaus in einem spannend zu lesenden Dialogformat („Storytelling“). Ungeklärt bleibt hier dennoch, ob eine Zeiterfassung auf Tätigkeitsebene in der Krankenhaus-Domäne überhaupt notwendig ist. Hier können nur Domänenexperten und User Researcher die notwendige Validierung liefern, indem sie Teile dieses Dialogs gegenüber der KI „anzweifeln“.

ChatGPT Frage Antwort Anzweifeln

UX und Digital Designer müssen sich also stärker mit der Frage befassen, wie die KI passgenauere und validere Ideen auf Basis konkreter Domänen-Sachverhalte und Nutzeranforderungen liefert. Das zugrundeliegende Modell und die Trainingsdaten kann ein Designer im praktischen Arbeitsalltag nicht wirklich beeinflussen, die Beschaffenheit seiner Prompts sowie das Format der Ausgabe aber schon. Designer werden also immer mehr zu „nutzerzentrierten Prompt Engineers“: statt sich auf die Generierung von Ideen zu auf der grünen Wiese zu fokussieren, müssen sie der KI gegebene Nutzungskontexte und User Research Einblicke näherbringen. Sie müssen Domänen-Anforderungen so beschreiben, dass sie die KI möglichst gut verarbeiten kann und das Ausgabeformat so definieren, dass sie von einem Dritten möglichst gut konsumiert werden kann.

Design und Requirements Engineering

Das formale und möglichst präzise, lösungsagnostische Formulieren und Kommunizieren von Anforderungen, war bislang Aufgabe des Requirements Engineer. Diese Rolle wurde jedoch durch agile Prinzipien und das Gebot der „lesser documentation“ in den letzten Jahren immer irrelevanter, denn Dokumentation will gelesen und verstanden werden und die dafür benötigte Zeit steht somit nicht mehr für die wirklich wichtigen Dinge zur Verfügung: das Implementieren von „Running Software“. Die Software-Entwicklungswelt ist agiler geworden das klassische Requirements Engineering zu zeitaufwändig in Bezug auf das Erstellen, Lesen und Verstehen von Anforderungsdokumenten.

Dokumentation in KI Zeiten

Das könnte sich nun wieder zurückändern, denn die KI „liest“ und „schreibt“ schneller als alle Teammitglieder zusammen. Die Rolle des Requirements Engineer, also des Spezialisten, der Anforderungen so präzise wie möglich formuliert und mit der KI nun einen effektiven Abnehmer findet, könnte also eine Renaissance erlangen. Auch User Researcher werden relevanter, da sie Anforderungen mit realen Nutzer*innen zum einen validieren und zum anderen verfeinern können.

In beiden Fällen kann die KI zudem dazu genutzt werden, sowohl Anforderungen als auch generierte Ideen oder andere komplexe Sachverhalte so zusammenzufassen, dass sie leichter verständlich werden.

ChatGPT Frage Antwort Markmap

Durch die steigende Popularität von textbasierten Visualisierungstools wie Markmap, wird es sogar möglich, textuelle Zusammenfassungen grafisch so aufzubereiten, dass das Entwicklungsteam diese Information in deutlich kürzerer Zeit kognitiv aufnehmen kann. Die folgende Mindmap wurde auf Basis des obigen textuellen Markdown-Outputs, nur durch „Copy & Paste“, also ohne weitere händische Anpassung generiert.

Mindmap Visualisierungstools MermaidJS

Wer es ein wenig blumiger mag, der kann die Essenz einer Ideengenerierung auch in Form einer Kurzgeschichte, also mittels „Storytelling“, an das Entwicklungsteam übergeben:

ChatGPT Frage Antwort Storytelling

Das größte Argument gegen solides Requirements Engineering – nämlich trockene, überbordende Dokumentation, die unter großem Zeitaufwand geschrieben und gelesen werden muss – fällt in kürzester Zeit mit den neuen KI-basierten Möglichkeiten.

Was die KI jedoch benötigt und von niemandem außer von „echten Menschen“ geliefert kann, sind tiefgreifende User Research Informationen und bestes Domänenwissen. Und selbst bei der Übermittlung dieses menschlichen Wissens, kann die KI unterstützen: Interviews mit Nutzer*innen können zunächst per KI transkribiert, dann in Textform der KI zur Verfügung gestellt, anschließend zur Ideengenerierung genutzt und letztlich den Stakeholdern sauber aufbereitet zurückgespielt werden.

Fazit und Ausblick

Der Produktivität einer KI bei der Generierung von Ideen sind nur wenige Grenzen gesetzt. Dies gilt jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die zugrundeliegenden Prompts nicht stereotyp sind, sondern zum einen mit Kontext- und Anforderungswissen vollgepackt werden und beim anfragenden Menschen auch der Wille zur iterativen Verfeinerung gegeben ist.

Tatsächlich müssen sich UX und Digital Designer also stärker in Richtung User Research und Requirements Engineering orientieren, um zu besseren Designern zu werden. Sie müssen eher früher als später in Projekten aktiv werden und – vor dem Angesicht der KI – eher mehr (für die KI) dokumentieren als weniger. Um die Reduktion von Information gegenüber dem Team kann sich ebenfalls die KI kümmern. Müßig zu erwähnen, dass diejenigen, die jetzt schon ihren Fokus auf User Research und Requirements Engineering gesetzt haben, nicht darum werden bangen müssen, alsbald durch die KI ersetzt zu werden. UX und Digital Designer, die ihren Fokus stärker auf die Lösungsfindung setzen (insbesondere das schnelle Produzieren von Wireframes) und weniger Wert auf das tiefe Problemverständnis legen, hingegen schon.

Am Ende des Tages wird die KI-Assistenz dazu führen, dass diejenigen Designer die sie nutzen, diejenigen Designer überflüssig machen, die sie nicht nutzen.

 

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