Für Produktmanager und CX/UX-Designer ist das Verstehen ihrer Zielgruppe essentiell, um Produkte und Services zu entwickeln, die wirklich resonieren.
Personas, fiktive Charaktere, die reale Nutzende repräsentieren, sind hierbei unverzichtbare Werkzeuge. Sie ermöglichen es, der recht abstrakten Zielgruppe ein Gesicht zu geben, deren Vorlieben und Abneigungen zu erkennen und von Produktentwicklung bis zur Vermarktung und Kommunikation alles auf die spezifischen Bedürfnisse der Nutzenden abzustimmen.
Doch die Erstellung von Personas kann eine Herausforderung sein. Oft ist sie zeit- und ressourcenintensiv, da zunächst Daten erhoben und geclustert, Zielgruppen-spezifische Charakteristika ermittelt und diese dann in anschauliche Persona-Beschreibungen überführt werden müssen.
Hier verspricht LeanScope AI, ein neuartiges, KI-gestütztes Tool, das Spiel zu verändern.
Die Entwicklung von Personas, traditionell ein Prozess von mehreren Tagen oder sogar Wochen, abhängig von der Tiefe der notwendigen Markt- und Zielgruppenforschung, der Anzahl und Komplexität der Personas und den erforderlichen kreativen und iterativen Anpassungsprozessen, kann mittels LeanScope AI in wenigen Sekunden erfolgen. Hierzu nutzt LeanScope die neuen Möglichkeiten generativer Künstlicher Intelligenz, um schnell und effizient glaubwürdige Personas zu erstellen, die im Anschluss durch User Research Erkenntnisse verfeinert und angepasst werden können.
Über die einfache Erstellung von überzeugenden Persona-Profilen hinaus bietet LeanScope AI seit neuestem auch die Möglichkeit, dass man mit den erstellen Personas interagieren kann. So können die Personas direkt angesprochen oder Gespräche mit und zwischen ihnen simuliert werden. Als Nutzender von LeanScope erhält man so weitere Möglichkeiten, Einblicke in seine Zielgruppen zu erhalten und Informationen über die Nutzer und deren Bedürfnisse zu gewinnen.
Ich hatten die Gelegenheit, mit Thomas Immich, dem Gründer von LeanScope AI, ein Gespräch zu führen. Hierin stellt Thomas uns das Tool im Detail vor und wir diskutieren mit ihm über die Möglichkeiten – aber auch die Risiken – die durch die Nutzung von KI in der Erstellung von Personas und der Produktentwicklung und -vermarktung allgemein entstehen.
Lieber Thomas. Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, mit uns über LeanScope zu sprechen!
Sehr gerne!
Kannst du uns erzählen, was genau LeanScope ist und was dich dazu inspiriert hat, dieses Tool zu entwickeln?
LeanScope ist ein sog. “Product Discovery” Tool, mit dem POs oder CX/UX Professionals schneller und zielsicherer zu Produkten gelangen, die auch tatsächlich echte Nutzer*innen-Bedürfnisse erfüllen.
Es gibt ja leider genug Produkte da draußen, die am eigentlichen Kern-Bedürfnis der Zielgruppe vorbeischießen – egal ob digital oder analog. Und es ist nunmal ziemlich kostenintensiv, eine solche Fehlausrichtung erst nach dem Launch feststellen und dann nachträglich korrigieren zu müssen. Zum einen wirst du gewisse Nutzende gar nicht erst erreichen, zum anderen verlierst du unter Umständen sogar diejenigen, die du eigentlich bereits erreicht hattest.
Welche konkreten Vorteile bietet LeanScope für Produktmanager und CX/UX-Designer?
LeanScope löst meiner Meinung ein grundlegendes Problem in der Experience Design Welt: der Zugang zu echten Nutzer*innen ist zu oft versperrt oder in kontinuierlicher Anwendung schlichtweg zu teuer.
Kernstück von LeanScope ist daher sein ausgefeiltes Rollen- und Persona-Modul. Du kannst zum einen, auf Rollen-Ebene, die “Jobs to be done” bzw. Aufgaben deiner Zielgruppe definieren. Du kannst zum anderen aber sehr konkret werden und spezifische Persönlichkeitsprofile und intrinsische Motivationsfaktoren festlegen, wie es bei guten Personas üblich ist.
Statt dass diese Personas aber nur “tot” am Whiteboard oder in Confluence “rumhängen”, verwandelt LeanScope sie in sog. “Persona-Agenten”, mit denen du jederzeit in Interaktion treten kannst. Beispielsweise kannst du mit ihnen Produkt-Ideen brainstormen oder User Needs priorisieren. Du siehst die Welt dann quasi aus der Welt deiner Nutzer*innen.
Die Schwelle, sich Input aus der Zielgruppe zu holen, wird also extrem gesenkt.
Kannst du ein Beispiel geben, wie ihr LeanScope bei euch oder euren Kunden in einem realen Projekt einsetzt?
Grundsätzlich setzen wir LeanScope in jedem Kundenprojekt von Centigrade (der UX Design- und Entwicklungs-Agentur von Thomas, Anm. d. Red.) ab Minute 0 ein, da wir der Meinung sind, dass man keine Produkt-Ideen diskutieren sollte, solange man nicht weiß, wer welches Bedürfnis, welcher Nutzende in welcher Rolle und in welchem Nutzungskontext hat.
Aber ein wirklich tolles Beispiel, was ich hier nennen möchte, ist das BIGEKO Projekt, in dem wir mit Centigrade u.a. den User Research und das Usability Testing durchführen. Dieses Forschungsprojekt beschäftigt sich mit der Frage, wie man Gehörlose in Notfallsituationen deutlich besser dabei unterstützen kann, sich mitzuteilen. Hier existiert trotz digitaler Fortschritte leider immer noch eine klaffende Accessibility-Lücke für die Betroffenen.
Es fängt bereits dort an, wo ein Gehörloser in einer Notsituation eigentlich jeder Möglichkeit beraubt ist, sich in den einzelnen Notfall-Institutionen in kurzer Zeit verständlich zu machen. Die Notfall-Helfenden oder Leitstellen-Disponenten bei Feuerwehr, Polizei oder in Krankenhäusern sind natürlich nicht in Gebärdensprache geschult und können daher die so wichtigen und dringlichen Informationen zum Notfall nicht zeitnah oder fehlerfrei genug aufnehmen, um den richtigen Einsatz einzuleiten.
Was es bedeutet, von Geburt an gehörlos zu sein, ist eines der vielen Dinge, die wir uns als hörende Menschen nicht annähernd vorstellen können. Wir haben diese Erfahrung beim User Research schmerzlich machen müssen, denn natürlich kommen wir nicht auf herkömmlichen Wegen an die für uns wichtigen Erkenntnisse. Klassische Nutzenden-Interviews z.B. sind schlichtweg unmöglich ohne einen Dolmetscher vor, während und nach der Befragung zu involvieren. Naiv wie wir waren, dachten wir, dass wir den User Research auf dem rein digitalen, schriftlichen Weg durchführen können, doch ein von Geburt an Gehörloser kann oft eben auch nur begrenzt oder unter großer Anstrengung lesen oder schreiben.
Auch entpuppte es sich als äußerst schwierig, einen Notfall-Helfer im Leitstand einer Polizei- oder Feuerwehr-Station zu einem Nutzer-Interview zu kriegen, denn deren kostbare Zeit ist verständlicherweise sehr begrenzt. Um das Team mit ausreichend User Research Informationen zu versorgen, verlangen wir den Nutzenden in beiden Fällen also eigentlich überproportional viel ab.
Hier kommt LeanScope ins Spiel: Wir haben mit Hilfe von LeanScope AI zunächst Proto-Personas generiert, zu Gehörlosen und verschiedenen Notfall-Helfenden. Anschließend haben wir jede Menge “Desk Research” gemacht und einschlägige Studien zu diesem Thema ebenfalls mit in LeanScope hochgeladen. Hierdurch hatten wir schon ein recht gutes “Grounding” und eine Orientierung, um uns auf die anstehenden “echten” Interviews vorzubereiten.
Beispielsweise konnten wir sehr früh ins “Gespräch” mit unseren Proto-Personas treten, um ein Gefühl für deren Befindlichkeiten und tatsächlichen Einschränkungen zu entwickeln. Natürlich konnten die AI-gesteuerten Gehörlosen-Personas uneingeschränkt mit uns auf dem Schriftweg kommunizieren, haben uns aber gleichzeitig nachvollziehbar gemacht, wie schwierig die eigentlichen Notfall-Situationen für sie sind und wie schlecht die meisten naiven Lösungsansätze in der Praxis greifen würden.
Tatsächlich konnten wir also Empathie zu unserer Zielgruppe aufbauen, bevor wir mit dieser konkret in Kontakt getreten sind. Für mich persönlich eine faszinierende Erfahrung. Carla Biegert, eine Master Studentin, schreibt zum Thema “Empathie-Verstärkung durch Persona Agenten” gerade ihre Masterarbeit. Ein paar ihrer wichtigsten Erkenntnisse finden sich bereits in einem entsprechenden Blog Artikel wieder.
Aber wir waren mit Projektverlauf ja noch gar nicht ganz durch: nachdem unser “echter” User Research mit tatsächlich Betroffenen stattgefunden hatte, haben wir diese Informationen wieder in LeanScope eingepflegt, um aus unseren Proto-Personas validierte Personas zu machen und unsere falschen Annahmen entsprechend zu markieren.
Im Anschluss konnten dann die anderen, vor allem umsetzenden Projektpartner, diese validierten Persona-Agenten jederzeit ihrerseits anschreiben, um zu checken, ob einzelne Feature-Ideen auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Betroffenen einzahlen bzw. unsinnige Ideen früh entlarven.
Um die Hürde, in die Schuhe der Betroffenen zu schlüpfen, so gering wie möglich zu halten, haben wir sogar ein Teams-Addon geschrieben, welches es ermöglicht, die Persona-Agenten in die eigene Teams-Kontaktliste aufzunehmen und sie direkt darüber anzuschreiben.
Wie funktioniert LeanScope genau bei der Erstellung von Personas? Kannst du uns durch den Prozess führen?
Das Bestechende an LeanScope ist, dass du als PO oder UX Professional nicht auf dem berühmten weißen Blatt Papier starten musst. Die KI generiert dir bereits auf Basis simpler Stichworte sehr plausible Proto-Personas. Dafür haben wir u.a. unsere Centigrade Agentur-Erfahrung aus vielen Jahren UX Projektgeschäft einfließen lassen.
Ab dann läuft der Prozess eigentlich so ähnlich wie anhand des BIGEKO Projektes beschrieben: die Proto-Personas werden mit Desk Research oder User Research Erkenntnissen angereichert und anschließend ins Brainstorming einbezogen, um zu besseren Produktideen oder Feature-Priorisierungen zu gelangen.
Manchmal startet der Prozess auch direkt auf Basis von bestehenden Kundendaten. Wir haben beispielsweise Kunden, die ihre CRM Daten nutzen, um aus den dort vorhandenen tausenden (anonymisierten) Kundendaten dann wenige, aber perfekt “geschnittene” Personas zu segmentieren.
Wie flexibel sind die von LeanScope per KI erstellten Personas? Inwiefern können oder sollten Nutzer diese noch weiter anpassen?
Die Grund-Philosophie von LeanScope ist eigentlich, dass jegliche Information, die von der KI generiert worden ist, jederzeit von einem Menschen angezweifelt, gelöscht oder überschrieben werden kann. Egal, ob man bestimmte Motivations- oder Frustrationsfaktoren ändert oder schlichtweg das automatisch generierte Foto ersetzen möchte — alles ist möglich.
Wir arbeiten auch gerade daran, dass nachträgliche manuelle Änderungen auch entsprechenden Plausibilitätsprüfungen unterzogen werden. Beispielsweise wäre es nicht schlüssig für die Persona-Nutzende, wenn ich zu einer 35-jährigen, weiblichen Persona, manuell das Foto eines 50-jährigen Herren hochlade. Menschliche Kontrolle, Plausibilität, Geschlossenheit und Vertrauenswürdigkeit sind meiner Ansicht nach sehr wichtige Kriterien für die grundsätzliche Akzeptanz des gesamten Ansatzes. Und natürlich auch die Nennung von Quellen, wenn gefordert, sprich eine gute “Explainability” erachte ich als essenziell.
Man kann über LeanScope seit neuestem auch mit den erstellen Personas interagieren. Wie genau funktioniert das und was bringt einem das?
Wie eben schon erwähnt, kann man mit den Personas schriftlich chatten. Ein interessanter Twist hierbei ist, dass ich aber auch in einer bestimmten Rolle mit der Persona chatten kann, denn natürlich beeinflusst der Fragende immer auch die Reaktion des Befragten, unabhängig von der Fragestellung selbst.
Wenn ich z.B. als Schichtführer einen Maschinenbediener frage, an welchen Stellen im Workflow dieser die meisten Fehler macht, wird der Maschinenbediener vielleicht sagen, dass es solche Stellen gar nicht gibt, um sich nicht selbst in Pfanne zu hauen. Anders wäre es vielleicht, wenn ich diesen Maschinenbediener in der Rolle eines engen Freundes die gleiche Frage stelle. Wieder anders, wenn ich dem Maschinenbediener diese Frage als er selbst stelle, sprich ins Selbstgespräch gehe. Auch das unterstützt LeanScope und fördert zum Teil recht überraschende Erkenntnisse zutage.
In meinem Podcast UX Therapy AI, zeige ich, dass darüber hinaus aber noch weit mehr geht. Zum einen kann man die Persona-Agenten miteinander ins Gespräch bringen, so dass diese sich autonom austauschen, ohne dass es eines menschlichen Eingriffs bedarf. Das ist schon echt abgefahren, welche Dynamiken dadurch entstehen.
Zum anderen hat LeanScope inzwischen ein Sprachausgabe-Modul, so dass man den Persona-Agenten einfach zuhören kann, ohne lesen zu müssen. Product Owner können sich also quasi eine Konversation zwischen zwei Nutzergruppen generieren lassen, sagen wir Steuerberater und Mandant, und dieses gesprochene Gespräch dann als Podcast mit auf Geschäftsreise nehmen 🙂
Gerade arbeiten wir auch an einer zweiten Version unseres Person-a-Mat, einer Art Ticketautomat zum Posterdruck von AI-generierten Personas für Design Thinking Workshops vor Ort. Hier kann man nun sogar per Sprache mit den Personas interagieren oder platt gesagt, ganz natürlich mit ihnen “quatschen”. Wir haben die erste Version des Automaten erstmalig auf der Mensch & Computer Konferenz 2023 vorgestellt und wurden anschließend sogar von Bosch für die Moderation ihres Generative AI Design Workshops eingeladen.
Kannst du uns von einem Gespräch mit einer solchen Persona berichten, dass dich besonders überrascht, amüsiert oder auch erschrocken hat?
Wow, ja! Da waren so viele dieser Momente dabei, dass ich überlegen muss, was ich auswähle.
Ich fange vielleicht mal bei der Überraschung an. Eine der ersten Personas, die wir zu Testzwecken generiert haben, war der Gartenzwerg Gregory Smith. Auf meine Frage hin, für welche App er Geld ausgeben würde, entgegnete er: “Ich bin ein Gartenzwerg, ich brauche keine App!”. Das mag jetzt zwar trivial klingen, ist aber dennoch überraschend, denn ich zumindest war von ChatGPT gewohnt, immer eine Antwort zu erhalten, die für mich einigermaßen befriedigend ist. In diesem Fall ist Gregory aber voll in seiner Rolle geblieben und hat keinen großen Wert darauf gelegt, seinem Gegenüber mit der Vortäuschung “digitaler Affinität” den berühmten Honig um den Bart zu schmieren.
Lustig finde ich generell Personas, die bestimmte Charaktereigenschaften tragen, die nicht unbedingt politisch korrekt sind. Wir haben beispielsweise eine zynische Lehrer Persona gefragt, warum sie Elternabende denn nicht abschaffen möchte, wenn sie doch so sehr davon frustriert ist. Die — natürlich zynische — Antwort darauf lautete wortwörtlich: “Ach, die Elternabende abschaffen… Eine verlockende Idee. Aber dann würden uns die Freuden entgehen, Eltern die Illusion zu rauben, dass ihr Kind der unentdeckte Einstein ist. Wo bleibt der Spaß, wenn wir nicht gelegentlich ein bisschen Realität in die elterlichen Träume einfließen lassen?”
Tja, und erschrocken? Erschrocken hat mich bei unserer letzten UX Therapy AI Episode tatsächlich, dass es Henning und mir quasi unmöglich war, die beiden Persona Agenten, Pascal der PO, und Valentin der Vertriebler, davon zu überzeugen, dass es doch eine gute Idee sei, die UX Researcher Persona Eva Schneider zu involvieren, um vor der Umsetzung ein wenig User Research zu machen… also bevor die vom Kunden geforderten Features in hektischer Art und Weise umgesetzt werden und dann anschließend vielleicht doch gar nicht benötigt werden.
Der PO hat immerhin noch gesagt, dass er es für eine gute Idee hält, aber nicht in diesem Projekt zu diesem Zeitpunkt. Letztlich sind aber beide stur geblieben, bis wir in die Firmenstrategie ihres Unternehmens reingeschrieben haben: “Es dürfen keine Projekte ohne User Research stattfinden.” Aber das kann es ja auch nicht sein… ein wenig Einsehen hätte ich mir schon gewünscht.
Ja, das war in der Tat erschreckend… nämlich “erschreckend realistisch”, denn ich kenne es zum Teil leider auch genau so aus meiner Erfahrung mit unseren Centigrade Kunden.
Welche Art von Daten benötigt LeanScope, um Personas zu generieren? Wie geht ihr mit den Themen Datenschutz und Datensicherheit um?
Wir nehmen diese Themen in der Partnerschaft mit LeanScope sehr ernst, denn Centigrade ist mit traditionellen Industrie-Unternehmen aus dem deutschen Mittelstand groß geworden, die ihrerseits dem Thema eine sehr hohe Bedeutung beimessen. So war die allererste Version von LeanScope sogar komplett offline-fähig und benötigte nicht einmal eine Internetverbindung. Das Nutzungsszenario dafür war übrigens vor etwa 5 Jahren: “UX Researcher sitzt in der Bahn, hat mieses Wifi und muss seine Erkenntnisse aus dem Vor-Ort User Research in LeanScope aufarbeiten.” Daran hat sich bislang leider immer noch nicht viel geändert.
Eine Offline-Fähigkeit ist natürlich mit AI-Unterbau nicht wirklich durchgängig praktikabel, aber diese Grundarchitektur von LeanScope ermöglicht uns tatsächlich auch heute die potenzielle Umstellung auf ein lokal laufendes OpenSource LLM, sobald wir das möchten. Also weg von OpenAI hinzu OpenLLama zum Beispiel.
Im Sinne der “Zweckmäßigkeit” unserer Datenverarbeitung fangen wir sehr klein an. Es reicht wie gesagt eigentlich eine Rollenbeschreibung, um zu einer guten Proto-Persona zu gelangen. Daher funktioniert die Proto-Persona-Generierung auch schon in der frei verfügbaren Variante von LeanScope. Möchte man mehr Daten nutzen, um daraus weitere Informationen zu generieren, so muss man diese sukzessive und einzeln freischalten, damit der Zweck auch immer in Balance mit der Datensicherheit steht.
Da LeanScope nie direkt mit OpenAI oder einem anderen Provider “spricht”, können wir zudem vorher Klarnamen entfernen oder anonymisieren. Wir können z.B. auch Meeting-Recordings lokal auf unseren eigenen Servern transkribieren, um jeglichen Personen-Bezug zu entfernen, bevor das Transkript nach LeanScope fließt.
Letztlich ist für mich der Persona-Ansatz an sich die Antwort auf die zurecht sehr restriktive DSGVO: da wir für die aus akkumulierten Kundendaten gewonnenen Personas, jegliche Brücken zu den ursprünglichen Menschen abreißen, können wir mit und zu den Personas über alles sprechen ohne Angst haben zu müssen, dass wir hier gerade einen real existierenden Menschen verunglimpfen. Ich nenne das salopp “persona-bezogene” Daten — und die sind halt völlig unkritisch.
Welche Bedenken könnten Nutzer hinsichtlich der Verwendung von KI-generierten Personas haben und wie begegnet ihr diesen Bedenken?
Wie immer bei solch progressiven Themen gibt es natürlich viele Bedenken. Einige davon sind auch berechtigt, und es muss ihnen mehr oder weniger dringlich begegnet werden.
Ein Bedenken ist, dass Personas falsche Informationen liefern könnten oder dass sie glaubhaft wirken, obwohl gar kein User Research stattgefunden hat. Dem wollen wir in LeanScope begegnen, indem Personas ohne User Research Backing bestimmte Informationen gar nicht erst liefern, weil die Grundlage dafür fehlt. Proto-Personas sind in Gesprächen dann quasi “verschlossener” als validierte Personas.
Ein anderes Bedenken ist, dass man sich als Designer sogar zu sehr in die Welt der Nutzer reindenken könnte und daher schwerer “loslassen” kann, z.B. wenn es darum geht, Kompromisse bei der Lösung im Sinne des Projektbudgets zu machen. Diese wichtige sog. “Detaching” Phase hat Carla auch in ihrem Blog Artikel thematisiert.
Wie gehst du mit der Herausforderung um, dass KI-generierte Personas möglicherweise zu stereotyp oder nicht vielfältig genug sind?
Die kurze Antwort ist: Personas müssen in begrenzter Weise sogar stereotyp sein, weil sie sonst keine Vereinfachung der Realität darstellen würden und als Modelle ungeeignet wären. Die lange Antwort ist natürlich weitaus komplizierter.
Zum einen sollten wir Vielfalt dadurch herstellen, dass wir einfach auch ein vielfältiges Set von Personas haben, statt ein Produkt auf Basis einer Mono-Persona zu entwickeln. Wichtig ist dann aber auch, dass diese gut gemeinte Vielfalt dasjenige “Stück Realität” abbildet, das zur Produktentwicklung ausreichend beiträgt.
Es bringt meiner Ansicht nach keinerlei Vorteile, wenn man zum Beispiel eine App für sehr hochpreisige Küchengeräte konzipieren möchte, und aufgrund überzogener Vielfaltsambitionen dann mit zu jungen Personas arbeitet, die dann aufgrund der vorausgesetzten Einkommensverhältnisse einen zu kleinen Teil der tatsächlichen Zielgruppe ausmachen.
Umgekehrt ist es mir total wichtig, dass tolle Produkte auch und gerade für nischige Zielgruppen oder Minderheiten das Licht der Welt erblicken und nicht nur auf den Massenmarkt aus sind. Hier können Personas meiner Ansicht ausgezeichnet dabei unterstützen, in verschiedene Lebensrealitäten jenseits des Mainstream einzutauchen.
Ich denke, dass es den meisten in der Stadt aufgewachsenen Designern z.B. nicht leicht fallen dürfte, sich in die Lebensrealität eines Ackerbauern hineinzuversetzen, bis er mit der neuen Version von LeanScope mal einen Ackerbauer inklusive einer “Journey of Pain” generiert.
Oder wie im Beispiel von BIGEKO erwähnt, wird es einem hörenden Designer schwerfallen, sich in einen Gehörlosen hineinzuversetzen. Und genau so wird es einem gesunden Designer schwerfallen, die Perspektive eines Kindes mit ICP zu übernehmen.
Die Grundsatzfrage war ja aber, ob die KI genug Informationen besitzt, um diese Vielfalt auch zu generieren. Ich bin der Meinung: da arbeitet die Zeit für uns. Die Modelle werden immer vielfältiger. Besonders fällt das seit dem jüngsten Update von DALL-E 3 auf, denn viel häufiger als bisher werden damit diversere Persona Fotos generiert, daher bin ich hier sehr zuversichtlich.
Letztlich gilt aber auch hier: mache ordentlichen User Research und packe diese Daten mit zu deinen Personas! Das ist das beste Rezept, das Thema Vielfalt sauber und richtig zu integrieren.
Wie siehst du die Zukunft von KI in der Produktentwicklung und im UX-Design?
Eines meiner häufiger kommentierten Statements dazu lautet: “Mittel- bis langfristig wird die KI-Assistenz dazu führen, dass die UX Designer & Engineers, die sie nutzen, diejenigen überflüssig machen, die sie nicht nutzen.”
Ich glaube zudem, es wird eine Verschiebung hin zum User Research geben, denn das ist meiner Ansicht nach die Disziplin in der Produktentwicklung überhaupt, die helfen kann, die KI anständig zu werden. Auch UX Design wird es noch eine ganze Weile geben, aber das Berufsbild wird sich deutlich in Richtung Conversational UI und Prompt Engineering ändern (müssen) und vor allem auch lernen müssen, warum LLMs das ausgeben, was sie ausgeben.
UI Design im Sinne von visuellem Icon & Screen Design und Layouting ist für mich allerdings bereits längst angezählt.
Aber es ist eine komplexe Fragestellung. Für die, die da tiefer einsteigen wollen, habe ich meine Gedanken in meinem Artikel UX trifft auf KI zusammengefasst.
Was würdest du Produktmanagern und UX-Designern empfehlen, die mit LeanScope arbeiten möchten? Gibt es Best Practices oder besondere Tipps für die effektive Nutzung des Tools?
Seid neugierig, probiert viel aus, generiert auch mal völlig überzogene Personas, um das Spektrum auszuleuchten. Stellt den Personas ungewöhnliche Fragen! Vergleicht die Unterschiede in den Gesprächen mit oder ohne User Research Informationen. Und natürlich: folgt meinem UX Therapy AI Podcast, denn dort lote ich die Grenzen des Tools bereits aus und man kann sich damit vielleicht so manche Erkenntnis-Reise sparen.
Auf der anderen Seite: ist der Weg nicht das Ziel?
Gibt es bereits Pläne für die Weiterentwicklungen von LeanScope? Was habt ihr noch damit vor?
Ja, “more than ever”. Wir möchten LeanScope aufs nächste Level heben und sind gerade dabei mit Investoren zu sprechen, um die Entwicklung zu beschleunigen. Die Traktion ist da, der Product-Market-Fit ist da, die Zeit ist die richtige. Jetzt heißt es: einen Gang zulegen!
Was wir genau vorhaben, ist natürlich zum Teil noch vertraulich, aber soviel kann ich schon mal sagen: es lohnt sich, LeanScope AI auf LinkedIn zu folgen, weil dort die wichtigen Infos zum frühestmöglichen Zeitpunkt erscheinen.
Lieber Thomas, vielen Dank für das interessante Gespräch und die vielen Einblicke, die du uns geben konntest!